Kann mich nicht erinnern, dass mich in letzter Zeit ein Buch so richtig gefesselt hätte. So, dass es mir schwer fällt, es aus der Hand zu legen. Dass es förmlich selber danach drängt, überall hin mitgenommen zu werden, damit in der U-Bahn oder sonstwo weitergelesen werden kann. Das war in meinen jungen Jahren anders. Wobei ich das in keinster Weise den Büchern anlaste. Ich hab mich verändert und mich nach und nach den gängigen Informations-Kanälen und den Eyecatchern für den schnellen Überblick angepasst. Überfliege die Überschriften, begnüge mich mit Rezensionen, schaue viel mehr auf Bilder, scanne einen Text und bleibe meistens nicht hängen. Gebe mich viel schneller als früher mit halben Informationen zufrieden, google mich mehr flink mit dem Finger an der Maustaste als mit dem Hirn durch ein Themenfeld und bin bloß froh, dass ich bisher meine Wehwehchen nicht übers Internet selbst diagnostiziere. Manchmal nervt mich diese Express-Tempo-Informations-Beschaffung so richtig. Eigentlich kann man mir alles mögliche erzählen, die meisten Dinge kann ich eh nicht nachprüfen. Ob der sensationelle archäologische Fund nun 3000 oder 5000 Jahre alt ist, ich hab keinen Maßstab dafür. Ob der Eisenanteil im Spinat zweistellig ist und Generationen von Kindern damit traktiert wurden... hat sowieso nie gestimmt. Wer im Nahost-Konflikt zuerst angefangen hat - ich war nicht dabei. Jahrelang hat auch die kritische Wirtschaftspresse zugeschaut bei der Investition in faule Papiere - kein Aufschrei ging durch die Medien. Erst, als alles zu spät war, haben wir es alle die ganze Zeit schon gewusst. Also mir reicht`s immer öfter. Und ich sehne mich so richtig nach Gehirnfutter, das sich nicht bei ein bisschen genauer hinschauen in Luft auflöst.
Da kam mir kürzlich Arnold Stadler unter. Ein 1954 geborener und auf einem Bauernhof im Schwäbischen aufgewachsener Autor, der sich an die Sachen wagt, die beim näheren Hinschauen und Hindenken nicht verschwinden. "Salvatore" heißt sein kürzlich erschienener Roman - Dokumentationsroman - Erlebnisbericht - über das Wirken eines Films (Pasolini) über ein Buch (Matthäus-Evangelium).... So was hatte ich schon lange nicht mehr: ein Buch, das nicht weggelegt werden will.
L.G.
Deinen Beitrag finde ich schon sehr packend....